Aber Wrac’h bis Povoa de Varzim – Biskaya unter Idealbedingungen

Der nächste Supermarkt liegt zwei Kilometer entfernt. Wir machen uns also nach dem Frühstück, bepackt mit Rucksack und Taschen, auf den weg um ihn zu suchen. Nach einiger Zeit kommen wir in ein kleines Städtchen, Landéda, wo wir Postkarten, Brot, Trauben, Nudeln, Pesto, Wasser und vieles mehr einkaufen. Auf dem Rückweg noch Baguette und Postkarten eingesammelt, sind wir bald auf der Takamaka zurück, wo wir unsere neuesten Errungenschaften verstauen und verarbeiten. Das Boot wird Reisefertig gemacht, der Dieseltank gefüllt und ein viertes Mal der Wetterbericht eingeholt. Eine Woche lang soll schwachwind, 1-4 Beaufort und stets aus nördlichen Richtungen, vorherrschen. Perfekter Wind für eine Überquerung also. Es geht los!
Anfangs bläst der Wind gegen an, die Strömung wird die nächsten vier Stunden auch gegen an sein und so motoren wir bis unser Kurs nach Süden abknickt und wir bei nahender Dunkelheit und kenternder Strömung immer schneller auf Spaniens Nordküste zufahren.
In den nächsten 24 Stunden segeln wir knapp 150 Seemeilen unter Spinnaker und am folgenden Tag scheinen Wind und Spinnacker uns ebenso wohlgesonnen. Immer wieder von Delfinschulen begleitet rauschen wir auf unser Ziel zu. Übermütig prognostizieren wir, dass wenn wir mit sechs bis sieben Knoten weiter auf unser Ziel zufahren, wir in zwei Tagen gegen Mittag in Povoa einlaufen würden.
Wie um dem Übermut eine Grenze zu setzen, tut es nachts einen Schlag und der Spinnaker landet im Wasser. Was ist geschehen? „Jan-Mathis, ich brauche deine Hilfe! Schnell!“ ohne warme Klamotten kommt mein Mitsegler an Deck. „Das Boot im Wind halten, Spinnaker im Wasser!“ sind die einzigen Worte die ich an ihn richte, während ich schon damit beschäftigt bin das große Segel aus dünnstem Stoff unter dem Boot hervor zu ziehen. Nach wenigen Minuten ist es geschafft. Der Spinnaker liegt auf dem Vorschiff. Zu meiner Freude hat er keine Löcher oder andere Schäden. Lediglich das Spinnaker-Fall, mit welchem das Segel in den Mast hoch gezogen wird, ist heruntergekommen. Es scheint, als sei der Schäkel zur Befestigung im Mast gebrochen. Erst später im Hafen wird klar, dass hier keine Schäkel sondern ein massives Blech gebrochen ist. Über die Jahre hinweg muss das Blech immer weiter korridiert sein und nun endgültig den Geist aufgegeben haben. Fürs erste setzen wir den Spinnaker wieder mit dem Vorfall, machen weiterhin gute Fahrt und freuen uns auf die nahende Küste Spaniens. Als ich am nächsten Tag den Spinnacker Schiften will muss ich diesen kurzzeitig bergen und stelle dabei fest, dass der stählerne Vorfall an der Kontaktstelle zum Vorstag, um den es sich herumwinden muss um den Spinnaker zu halten, einige gebrochene Drähte aufweist. Den Spinnaker nochmals zu setzen kommt also nicht in Frage und beim Anfassen des Falls ist Vorsicht geboten, denn die gebrochenen Drähte schneiden tief in die Finger, wenn man Pech hat aber auch schnell in Gesicht oder Hals ein. Das Fall ist in dieser Form nicht länger zu gebrauchen und muss im Hafen dringend ausgetauscht werden. Für die nächsten zwei Tage setzen wir allerdings erst einmal die Genua und zu unserem Glück dreht der Wind bis Halbwind, sodass wir weiterhin mit über fünf Knoten auf Povoa zulaufen.
Delfine BiskayaNachts tauchen Delfine unter dem Boot hindurch und hinterlassen bei jeder Bewegung leuchtenden Plankton um sich herum, was zu einem einzigartigen Schauspiel führt, dass uns sicher noch lange in Erinnerung bleiben wird. Auch Tagsüber kommen die Begleiter immer wieder dicht ans Boot heran, spielen mit der Heckwelle, springen aus dem Wasser und laden zu einem gemeinsamen Bad ein. Als Jan-Mathis ins Wasser springt, ziehen sie sich allerdings rasch zurück und Jan-Mathis klettert enttäuscht an Bord zurück. Eben waren doch noch 15 Delfine da, wo sind sie hin?
Haare waschen BiskayaWenn es auch nach einer gewagten, sportlichen Pose aussehen mag, ist es der Versuch die Haare bei 2,5 Knoten Fahrt zu schamponieren, was dank des tollen Wetters im Meer eine gute Abwechslung zum Eimer Wasser ist.
In 100 Seemeilen sind wir in Povoa. Der Wind wird schwächer, dreht hin und her, die Takamaka kommt kaum vorwärts und so werden aus 3,5 Tagen rasch 4, aus 4 bald 4,5. Wir schalten den Motor ein und genießen den hellen Strahl, den die Schraube im Wasser beim verwirbeln des Planktons hinterlässt. Rechts und links kommen immer wieder Fischschwärme vorbei, die das Meer zum Leuchten bringen wenn sie vor dem Boot flüchten und so wird diese letzte Nacht auf unserer Überquerung doch noch zu einer eindrucksvollen Erfahrung.
Als wir am Morgen bei Nebel in Povoa einlaufen sind wir glücklich und traurig, dass unsere Zeit nun zu Ende ist. Die Schichten in kalten Nächten erscheinen endlos lang und belasten den Körper stark, vor allem da unsere Selbststeueranlage nicht Einsatzfähig ist. Trotzdem hatten wir eine tolle Zeit und würden sie gerne verlängern. Auf unserer Tour ist Jan-Mathis mir ein fleißiger und immer hilfsbereiter Begleiter und guter Freund gewesen.
Die Arbeiten am Boot, die wir nicht selber erledigen konnten, wird ein Werftbetrieb in Povoa übernehmen. Das Vorfall wird um einen Meter gekürzt, der Mast des Windgenerators fachmännisch fixiert und das Blech für das Spinnaker-Fall erneuert. Das Studium ruft uns zurück nach Deutschland, die Takamaka werde ich aber schon bald wieder sehen. In rund einem Monat soll es auf nach Madeira gehen!

Ein Gedanke zu „Aber Wrac’h bis Povoa de Varzim – Biskaya unter Idealbedingungen

  1. Marie & Max

    Hallo Jonathan,

    hoffentlich bist du gut heimgekommen. Es war schön, dich kennen zu lernen und sich auszutauschen. Wahrscheinlich bist du dann schon weg, wenn wir wieder nach Povoa de Varzim kommen, aber dann sehen wir uns spätestens auf den Kanaren wieder

    Mast und Schotbruch und handbreit wünschen
    Marie und Max von der SY Lisa (www.sy-lisa.ch)

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