Archiv für den Autor: Jonathan Spaeth

Skagen und Bonnerup

Nach einem Tag in Christiansand geht es für uns schon weiter nach Skagen. Die gesamte überfahrt kaum Wind und die Maschine läuft durchgehend mit. Nach gut 20 Stunden erreichen wir das kleine Städtchen. Glasbläsereien, kleine Cafes und einen Friseur für mich, das sind die Highlights die uns dazu bewegen einen kompletten Tag hier zu verbringen und die 200 Kronen (30 Euro) Liegegeld zu bezahlen. Am frühen Morgen brechen wir dann wieder auf nach Greena, einer größeren Stadt auf unserem Weg in den Süden von der aus Clari ihre Kurse fürs neue Semester buchen muss. Erst kommen uns zwei Knoten Strömung entgegen, dann reißt das Vorfall. Der Wind ist gegen an und so entscheiden wir uns für einen Stopp in Bonnerup. Immerhin haben wir es bis auf wenige Meilen an Greena heran geschafft. Der Wind hält die nächste Woche über leider wenig gutes für uns bereit, daher stehen wir so wenige Meilen vor unserem Ziel erneut unter Zeitdruck.

Färöer – Norwegen

Internet, Kaffee, Supermarkt, Wasser bunkern, Familie treffen und weiter geht’s. Tatsächlich verlassen wir Torshavn schon 27 Stunden nach unserer Ankunft und lassen einen winkenden Haufen Familie am Pier zurück, deren Fähre uns schon in wenigen Minuten überholen wird. Die Wettervorhersage verspricht 25 Knoten Wind aus Nord für einige Tage und wir bereiten uns gedanklich nicht nur auf die schnellste Überfahrt unseres Lebens, sondern auch auf die direkte Weiterreise nach Norwegen vor. Sollten wir die Shetlands auslassen können und guten Wind haben, dann haben wir unseren Zeitplan bald nicht nur ein- sondern sogar überholt.
Clarissa übernimmt die erste Schicht und kämpft sich unter Motor eine Meile nach der anderen gegen die Strömung und den sehr schwachen Wind voran. Erst als ich übernehme dreht der Wind, frischt auf und erleichtert mir die Schicht, arme Clarissa. Endlich vom Wind angetrieben beginnen wir unsere rasante Fahrt auf die Shetlands hin. Fünf, sechs, sieben, acht Knoten und mehr schaffen wir beim Surfen auf den Wellen im immer stärker werdenden Wind. Nach 24 Stunden sind wir bereits bis auf 50 sm an das Nordkap der Shetlands heran gekommen, da erreicht uns der aktualisierte Wetterbericht. 40 Knoten soll es bei uns geben und leicht östlich sogar 50. Bei Nordwind sollten 40 Knoten ja kein größeres Problem darstellen, die kaputte Sturmfock sorgt trotzdem für ein äußerst unruhiges Gefühl. Was, wenn es doch mehr als 40 werden? Was, wenn die Strömung nördlich der Shetlands gegen den Wind und die Welle geht und aus den ohnehin schon hohen Wellen gefährliche Brecher macht? Einen Hafen können wir nicht mehr anlaufen bevor der Sturm einsetzt, dafür sind wir noch zu weit vom Land entfernt, uns bleibt also nur ablaufen und notfalls den Seeanker ausbringen. Solange wie möglich wollen wir Richtung Osten halten um vom Nordkap fern zu bleiben. So werden wir im Sturm wenigstens nicht aufs Land gedrückt und werden hoffentlich von den schlimmsten Strömungen verschont. Die Arbeitsfock ist bereits angeschlagen und wir kommen auch im Sturm gut weiter nach Osten. Wind aus NW mit 30, 35, 40 Knoten und bald sogar noch mehr. Um uns herum brodelt das Meer und wir schießen in die Wellentäler hinab bevor wir wieder den Berg hinauf jagen. Laut Wetterbericht sollen wir von abends bis um ca. 6 Uhr morgens Prügel bekommen, was wir uns immer wieder in den Kopf rufen, während wir die Uhr ablesen und überlegen in welcher Zeitzone es jetzt wohl 6 Uhr sein mag, immerhin ist es bei uns bereits Mittag. An sich ist das Ablaufen vor dem Wind kein Problem, ja macht oft sogar Spaß. Bei Gegenströmung wie in unserem Fall, wird die Welle jedoch sehr steil, türmt sich auf und bricht. Jedes mal wenn eine besonders hohe, steile oder brechende Welle das Boot ergreift und wir über den Kamm ins Tal schießen, verändert es unweigerlich seinen Kurs nach Luv bis wir quer zur Welle stehen und die Segel kurz flattern. Erwischt uns in einem solchen, ungünstigen Moment eine Böe, dann hat die Windsteueranlage zu wenig Kraft und Hebelarm, um das Boot wieder auf Kurs zu bringen. Viele Male müssen wir diese Bewegungen von innen mit verfolgen, während sich unsere Muskulatur immer weiter verkrampft, je weiter wir eine solche Welle hinab gesurft sind. Den Höhepunkt der Muskelstarre erreichen wir jedes Mal dann, wenn wir gerade mit zehn Knoten durch die Wellen rutschen, noch von der vorherigen Welle quer stehen und klatsch, eine kräftige Backpfeife von der nächsten Welle bekommen. Nicht nur die Wassermassen sind gewaltig, die in einem solchen Moment auf das Boot einstürzen und sogar unseren Sprayhood-Bügel verbogen haben, nein auch der seitliche Versatz und die Krängung sind erschreckend und erinnern uns immer wieder an unseren Sturm vor Grönland. Wir haben Angst, flach aufs Wasser gedrückt zu werden. Nicht nur einmal purzeln die Bücher aus den Regalen, doch dieses Mal bleiben wir vom Kentern verschont und 12 Stunden später als erwartet lässt der Wind endlich nach. Die Wellen werden immer kleiner, während wir uns bereits einige Meilen östlich der Shetlands befinden und auf unserem Weg nach Norwegen sind. Hunderte von Bohrinseln scheinen allein zur Erleuchtung des Himmels in der Nordsee platziert worden zu sein, denen wir mit unseren (inzwischen) etwas veralteten Karten ausweichen müssen. Sollte ich mich nicht täuschen, dann scheint es als sei keine Bohrinsel mehr dort wo sie vor zwei Jahren mal war. Für eine Solo-Überquerung lässt sich dieser Teil der Reise jedenfalls nicht empfehlen, denn bei Tage sieht man die Inseln deutlich schwerer als im nächtlichen Lichtermeer. Dort schauen sie nur alle paar Minuten hinter der gewaltigen Dünung hervor, die der Wind der letzten Tage uns zurück gelassen hat.
Während des Sturmes hat unser Vorsegel immer wieder geschlagen und am Ende sogar ein paar Halsen der Windsteueranlage mitmachen müssen. Bei diesen Schlägen sind die Stagrutscher (eine Art Karabiner, die man am Vorstag einhakt um das Segel zu befestigen) losgegangen und das Segel hin nur mehr an wenigen. An einem dieser wenigen Stagrutscher muss der Zug nun zu hoch gewesen sein und es hat sich ein kleines Loch gebildet. Wir wechseln auf die Genua, der Wind ist ohnehin schwach und soll auch die kommenden Tage meist unter 20 Knoten bleiben. Erst schwach, dann bald auch wieder frisch weht die nördliche Brise über uns her und schon bald können wir das europäische Festland sehen. Mit gemischten Gefühlen wird mir klar, wie nahe ich der Rückkehr, der Heimat und dem Alltag wieder bin und immer wieder starre ich aufs Meer hinaus, wo sich der Blick im nichts verliert. Jetzt kann ich ein bisschen mehr verstehen und nachvollziehen wie und was der bekannte Segelautor Montesquien in „Der verschenkte Sieg“ berichtet hat. Die Harmonie der See ist eben doch unverkennbar.
Hundert Meilen geht es entlang der Küste Norwegens. Der Wind nimmt auf mehr als 20 Knoten zu und jagt uns wieder einmal über die Wellenberge bis ich irgendwann die Genua berge. Ein Loch. Wieder einmal ein Loch im Segel. Das Material wird langsam alt und reißt bei zu großer Belastung immer schneller. Die Genua gleicht langsam einem Flickenteppich. Die letzten Meilen also ohne Vorsegel, dann doch mit der Fock zur Unterstützung. Ankommen werden wir mitten in der Nacht oder am frühen Morgen, der Wind hat inzwischen wieder etwas nachgelassen und an schlafen will keiner denken. Inzwischen sind wir am Wind unterwegs und ich winsche das Segel dicht. Ein altbekannter Fehler, wie ich kurz darauf feststellen muss, denn der Bugkorb war im Weg. Mit Betonung auf war, denn im Segel befindet sich nun ein grässlich anzusehendes Loch. Ein Riss der Länge nach wohl um die 30 cm und ein ebenso breiter zweiter Riss quer. Zwei Segel für den Segelmacher innerhalb von zwei Tagen. Der wird sich auch seinen Teil dabei denken…
Erst im Morgengrauen laufen wir in Christiansand ein, schnappen uns einen der vielen Liegeplätze in der beinahe leeren Marina und rufen den Zoll an um einzuklarieren. Das sei nicht nötig, versichert man uns telefonisch und heißt uns willkommen zurück in Europa.

Island – Färöer

Vor der Abfahrt füllen wir noch ein letztes Mal alle Kanister und den Tank bis zum Rand mit Diesel und gehen von den letzten isländischen Kronen Schokoladenkuchen mit Erdbeeren essen. Ob die Erdbeeren wohl in den isländischen Gewächshäusern im Geo-Thermal-Gebiet wachsen durften? Ihre Frische und Süße spricht jedenfalls dafür. Wenige Minuten später sind bereits die Leinen los und noch bevor wir den Westmännischen Hafen ganz verlassen haben stehen die Segel. Wir müssen jeden Wind auskosten, das ist klar, denn für die nächste Woche ist Schwachwind angesagt. Verängstigt von dem letzten Sturm und der aktuellen Wettervorhersage, die im Süden von uns bis zu 36 Knoten verkündet, lassen wir unsere Arbeitsfock einen halben Tag länger stehen als notwendig ehe wir die große Genua setzen. So verschenken wir wertvolle Meilen und es kommt noch schlimmer, denn kaum haben wir die Genua gesetzt, verschwindet das letzte bisschen Wind. Als Trost für den verpassten Wind verabschiedet sich Island von uns mit herrlichen Nordlichtern, die anfangs nur als grauer Schleier und später in der Nacht Grün, Türkis und sogar Lila wabernd am Himmel stehen. Noch nie habe ich ein so schönes Himmelsspektakel gesehen. Es folgt ein kompletter Tag unter Motor, dann zwei oder drei Stunden segeln, wieder der Motor und so weiter. Immer wieder schütten wir Kanister in den Tank, immer wieder rechnen wir hoch wie weit der Diesel noch reicht und immer wieder kommen wir zu dem Schluss, dass uns einige, ja fast 100 Seemeilen fehlen um durch die Flaute zu motoren. Wir nutzen jeden Windhauch, segeln mit zwei Knoten Fahrt nach NO statt SO und erkämpfen uns so hin und wieder fünf Meilen, bevor sich der Wind wieder komplett verabschiedet. Als es noch 150 Seemeilen bis Torshavn sind und schon aller Diesel bis auf unsere 10 Liter Reserve für die Hafeneinfahrt im Tank sind, entschließen wir so weit wie möglich unter Motor zu laufen statt ewig auf dem Meer herum zu treiben. Die richtige Entscheidung, wie sich einige Stunden später herausstellt, als der Wind endlich zunimmt und uns die gesamte Nacht über mit ca. 20 Knoten Halbwind voran bringt. Während wir durchs Wasser schießen und die Wellen um uns herum kräftig zu brechen anfangen, müssen wir bald feststellen, dass wir uns trotz des Windes nur mit zwei Knoten auf unser Ziel zu bewegen. Die Fahrt im Wasser schätze ich auf ca. 6 Knoten, wo also sind die restlichen geblieben? Wir müssen wohl genau zur falschen Zeit angekommen sein, denn die Tidenströmung setzt gerade mit voller Kraft gegen uns, bringt die Wellen zum Brechen und uns beinahe zum Stillstand. Wir kämpfen einige Morgenstunden gegen die Tide an, bis sie endlich nachlässt, kentert und uns durch das Nadelöhr vor Torshavn Richtung Osten saugt. Morgen schon wollen wir weiter auf die Shetlands um unsere verlorene Zeit aufzuholen. Torshavn wird also nur ein sehr kurzer Stopp zum Diesel, Wasser und Energie tanken.

Reykjavik und die Westmänner

Auch wenn nur schwacher Wind vorhergesagt ist, erwischen uns auf der Überfahrt nach Reykjavik immer wieder lang anhaltende Böen von über 25 Knoten. Die zwei Gäste verschlafen die meiste Zeit und schonen sich wegen der rauen See, als es dann aber etwas ruhiger wird übernimmt meine Schwester eine Schicht und passt auf das Boot auf, das sich zügig unter Selbststeueranlage durch die Wellen schiebt. Drei Stunden lang können Clari und ich schlafen während Hanna bei jedem Boot in der Nähe, bei Problemen mit der Windsteueranlage und bei Wetterverschlechterung einen von uns aufwecken soll. Am frühen Abend schon laufen wir in Reykjavik ein und sind damit deutlich schneller als erwartet. Für die gelungene Überfahrt gibt’s für uns alle Pfannkuchen als Belohnung. Die Marina in Reykjavik bietet nicht nur gratis Waschmaschinen und Duschen, sie verfügt auch über Internet und Aufenthaltsräume. Mit ca. 15 Euro Liegegebühren ist sie zudem unglaublich günstig. Wir genießen den Moment um uns Reykjavik anzusehen, es wird ein großes Feuerwerk im Hafen abgeschossen (zufällig ist heute Kulturnacht) und Clarissa kann mir endlich das „Café Babalu“ zeigen, von dem sie bereits seit zwei Jahren erzählt. Wir verabschieden uns von der Familie, die nun weiter Richtung Osten fährt um den restlichen Urlaub zu genießen und packen kurz darauf alles zusammen um zu den Westmännern aufzubrechen. Ein letzter Wettercheck verrät dann, dass wir schon wieder bis zu 35 Knoten Wind erwarten müssen. Gestern noch sah es gut aus, heute sehen wir nur zwei Optionen: Entweder wir segeln nach Grindavik und sind damit 50 Meilen näher an unserem Ziel, sitzen allerdings dann dort fest bis sich das Wetter bessert, oder wir bleiben in Reykjavik, buchen ein Auto und fahren zu dem 450 km entfernten Gletschersee, den ich mir so gerne angesehen hätte. Natürlich entscheiden wir uns für die zweite Option und buchen für den nächsten Tag einen kleinen PKW. Bei einem Tempolimit von 90 km/h und stürmischen Winden sind wir beinahe sechs Stunden unterwegs bis wir endlich an dem wunderschönen See angekommen sind. Hinter dem See zieht sich ein gewaltiger Gletscher entlang, der immer wieder kleine Eisberge in diesen kalben lässt. Das Eis ist im Vergleich zu dem in Grönland etwas stärker von Luftblasen durchzogen und es gibt außerdem Eisberge, die durch Asche komplett schwarz gefärbt sind. Ein wunderschöner Anblick, der besonders denjenigen zu empfehlen ist, die vielleicht noch nicht in Grönland waren um Eisberge anzusehen. Als wir uns wieder auf den Rückweg machen sind wir sehr zufrieden und machen einen letzten Besuch bei meiner reisenden Familie.
Am nächsten Tag packen wir abermals das Boot und checken das Wetter. Noch immer haben wir mehr als 25 Knoten zu erwarten, aber irgendwann müssen wir ja aufbrechen. Schwachwind von achtern bis wir Reykjanes, die SW Spitze Islands, gerundet haben, dann sind wir am Wind unterwegs. Aus schwachem Wind werden bald 15, dann 20, dann 25 und letztlich 30 Knoten, wobei wir durch die Landabdeckung kaum unter der Welle zu leiden haben. Ein Telefonat mit zu Hause empfiehlt uns einen Stopp auf den Westmännern. 20 Meilen fehlen noch und der Wind wird durch die Abdeckung der Südspitze Islands wieder weniger, dreht dann innerhalb weniger Minuten um 180° und frischt bis auf 20 Knoten auf. Die Westmann Inseln bringen komisches Wetter hervor. Wir laufen kurz nach Sonnenuntergang mit einem Rest von Licht in den gut geschützten Hafen ein. Bei wenig Wind darf Clarissa das Anlegen üben – und schlägt sich gut dabei. Kein Kratzer, keine Hetze, kein Geschrei. Wir machen an einem kleinen Schwimmsteg am Ende des Hafenbeckens fest und geben dem Hafenmeister Bescheid. 4000 Kronen (28 Euro) soll der Hafen kosten obwohl es keinerlei Facilities gibt und der Steg an dem wir liegen wohl kaum einer TÜV-Prüfung standhalten würde. Verglichen mit Reykjavik wirkt dieser Preis wie das unverschämte Ausnehmen von Touristen, wir bleiben dennoch bis sich das Wetter bessert. Genießen die raue, vulkanische Landschaft und wandern quer über die kleine Insel, besuchen das Vulkanmuseum (das modernste Museum, das ich je gesehen habe) und schlendern durch das schicke Städtchen. Der neue Wetterbericht sagt uns, dass wir, wenn wir morgen auslaufen, maximal 30 Knoten aus Nord abbekommen sollten und das nur für wenige Stunden, dafür aber ein Wetterfenster von mindestens vier Tagen haben um die 380 Seemeilen bis zu den Färöern zu meistern. Ablegen am Freitag um 1800 UTC, geweckt werden vom Sonnenschein. Diesmal muss es ja gut gehen.

Grönland – Island 3: Sturm und Ankunft

Schon seit längerer Zeit haben wir ein Tiefdruckgebiet beobachtet, das sich vom Kap Farvel in Richtung Island bewegt und, zu unserem Glück, sich gut südlich von uns halten soll. Bis heute Morgen glauben wir fest daran, dass es bei uns ruhig bleiben wird, trotzdem haben wir die Frequenz der Wetterberichte verdoppelt und erhalten nun morgens und abends einen Bericht aus Deutschland mit der Prognose für die nächsten Tage. Das Tief wird immer stärker, vertieft sich, die Hektopascal schrumpfen dahin und außerdem scheint es sich immer weiter in Richtung Norden, in unsere Richtung, zu bewegen. Gut einen Tag bevor das Wetter bei uns ankommt ist klar, wir erwarten mindestens 35 Knoten aus Osten, laut Navtex sogar bis zu 23 m/s, d.h. 46 Knoten. Wir schießen weiter mit sechs Knoten auf Reykjavik zu, der Wind dreht aber immer weiter gegen uns und bald laufen wir hart am Wind. Wir befinden uns noch immer in den „Deep Sea Banks“ im SW von Island, Navtex kündigt bis zu 30 m/s (60 Knoten) und damit Orkan an, wir erhalten aber Gute Botschaft von zu Hause. Noch 40 Meilen bis zu den West Banks, südlicher Teil, dem einzigen Seegebiet, in dem unter 50 Knoten, ja sogar unter 40 Knoten sein werden. Einen halben Tag soll es noch dauern bis der Wind auf uns eindrischt. Die letzten Müllbeutel werden verstaut, das letzte Essen gekocht und das letzte Wasser getrunken während es dunkel wird. Ich schiebe Schicht, kämpfe um jede Meile in Richtung West Banks und warte auf das Auffrischen des Windes. Als wir nicht mehr Kurs laufen können und gleichzeitig der Wind auffrischt ist es Zeit die große Genua zu bergen. Die Arbeitsfock überspringe ich direkt und – wie fast erwartet, laufen wir eine Stunde später bereits wieder volle Fahrt bei 25 Knoten Wind. Es ist noch immer früher Morgen, der Wind frischt aber bereits auf. Das sieht eher nach dem Wetter aus dem Navtex-Bericht aus als nach dem Wetterbericht meines Vaters. Der Wind frischt weiter auf und bald reist es uns eine Schelle aus dem Baum, die das Unterliek nach achtern gespannt hat. War sowieso Zeit zu reffen. Wir sind inzwischen gut vierzig Meilen innerhalb der „West Banks“ und sollten damit dem schlimmsten entkommen sein. Ein kurzer Anruf daheim, alles beim Alten – gut so. Wir verstecken uns unter Deck, spielen mal ein bisschen Karten, essen mal eine Tafel Schokolade oder malen uns wieder irgendwelche schönen Dinge aus, um die latent im Raum stehende Angst, wir könnten erneut kentern, zu vertreiben. Die See wird rauer und rauer, die Segel schlagen furchtbar, das Schiff bleibt aber auf Kurs. Bis Reykjavik sind es noch über siebzig Meilen und wir müssen genau gegen den Wind an, der auch die nächsten Tage aus Osten ballert wie noch was. Der Windmesser ist leider bei 40 Knoten ausgefallen und zeigt nur noch 99 Knoten an, während die Wellen auf unser Deck eindreschen, unsere Segel und Stage vibrieren und die Wandten in Lee die Form der Mondsichel nachahmen, beginnen wir langsam mit der Suche nach einem passenderen Hafen, in den wir vielleicht schon am nächsten Morgen einlaufen können. Rif, ein Fischerhafen rund 60 Meilen nordöstlich von Reykjavik scheint nicht nur groß genug zu sein,um darin bei jedem Wind manövrieren zu können, er liegt außerdem auf unserem Kurs und ist nur vierzig Meilen entfernt. Wir wollen es trotzdem nach Reykjavik schaffen, schließlich wartet meine Familie sicher schon dort um uns zu empfangen und Wäsche müssen wir auch dringend mal waschen. Als kurz darauf eine mächtige Welle über das Deck fegt und das Fenster der Sprayhood zerreißt, entscheiden wir, doch nach Rif zu segeln. Die letzten Stunden bis Rif vergehen wie im Flug, während wir mit Halbwind 7-8 Knoten aufs Ziel zu machen und der Wetterbericht passend zu unserer Ankunft einen Winddreher auf Süd mitsamt zeitweise bis auf 30 Knoten abnehmenden Wind ankündigt. Die Bedingungen währen also quasi ideal. Wir schreiben eine SMS an die in Island sitzende Familie und erfahren, dass diese wegen des Sturms nicht bis Reykjavik gefahren sind, sondern nur wenige Kilometer von Rif entfernt campen. Wir verabreden uns auf drei Uhr nachts zum Leinen annehmen am Steg, während wir uns langsam in Landabdeckung begeben und das nahe Land in der Dunkelheit versinkt. Diesmal haben wir es wohl ohne Kentern geschafft, denn die nahe Landabdeckung verspricht Sicherheit und Schutz während ich den Motor starte um die kurzen Windlöcher zu überbrücken, die uns immer häufiger ausbremsen. Noch bevor wir ankommen verständigen wir die Küstenwache und bitten darum, dass man uns in Rif einklariert. Eine besorgte Stimme antwortet und bestätigt Rif als unseren ersten Hafen in Island. Der Hafenmeister sei informiert, der Zoll würde morgen informiert werden und wir mögen uns doch bitte melden sobald wir im Hafen seien. Zwei oder drei weitere Gespräche mit der Küstenwache folge kurz darauf – man macht sich offensichtlich Sorgen um eine Yacht, die bei diesem Wetter auf See ist. Kein Wunder, wie wir später feststellen, denn 50 km südlich von uns gab es zeitweise 70 Knoten Wind. Der Wind ist inzwischen bis auf 27 Knoten abgesunken und wir bergen die Segel vor der Hafeneinfahrt. Der Draht, der sich durchs Vorliek der Sturmfock zieht, ist durch die Vibration herausgerissen und das Vorliek somit auf einer Länge von ca. 30 cm ohne Spannung. Das erklärt auch die furchtbaren Geräusche, die die vermeindlich schlagenden Segel verursacht haben. Kein Problem, wir fahren ja jetzt mit Rückenwind in den Hafen. Vorbei an einigen großen Fischern bis ans Ende des langen Beckens, wo wir laut unserem Segelführer einen Holzsteg zu erwarten haben. Noch bevor wir dort angekommen sind, drehe ich schon ab. Das kleine Becken ist gefüllt mit Motorbooten und lässt kaum Freiraum zum Manövrieren. Ich will lieber an einen der Dicken, längsseits ans Fischerboot wie auch in Grönland üblich. Fünf Minuten und drei Kringel im breiten Hafenbecken später ist alles geschehen. Zwei der Kreise haben wir gebraucht um uns über das Boot einig zu werden, welches sich am besten eignen sollte, den dritten, um eine Böe von knapp 30 Knoten abzuwarten, die im falschen Moment aus der Windabdeckung hervor schoss.
Auf dem Steg steht bereits ein orangener VW Bus, den ich nur zu gut aus Deutschland kenne. Mitten in der Nacht wird Brokkolisuppe und Kaffee für uns gekocht, keiner denkt ans Schlafen und wir tauschen die neuesten Geschichten aus. Um 4:30 sagen wir gute Nacht, morgen ist schließlich auch noch ein Tag und ich möchte früh am Morgen einklarieren.
Der Wecker klingelt um acht Uhr und ich mache mich auf die Suche nach dem Hafenbüro. Der Hafen ist nicht für private Yachten gedacht, weswegen wir keine Gebühren zahlen müssen. Die modernen Duschen dürfen wir zu unserer Freude dennoch benutzen und man erlaubt uns für einige Tage an dem Fischerboot längsseits zu bleiben und die Insel mit dem Bus zu erkunden. Was wollen wir mehr? Den Rest des Tages verbringen wir mit Putzen, Trocknen, Aufräumen und Packen. Geschenke und Care-Pakete werden übergeben und wir können endlich wieder im Internet surfen. Was man(n) eben so macht nach einer ungemütlichen Überfahrt.
Wir fahren für fünf Tage quer über die Insel, wobei wir sechs Personen in den Bus quetschen und immer wieder alles Gepäck hin und her räumen müssen um an das Gesuchte heran zu kommen. Nachts wird das Dachzelt aufgebaut und die Rückbank umgeklappt um genügend Raum für alle zu schaffen. Wir besuchen Geysire, brodelnde Quellen und Flüsse, fahren Schotterpisten mit einem 30 Jahre alten VW Bus, die nur mit 4×4 Antrieb zu fahren sein sollen, wandern bei Regen und Schnee durch die Berge, baden in heißen Seen und Flüssen und spazieren am scheinbar endlosen, schwarzen Sandstrand von Vik. Innerhalb weniger Tage versuchen wir so viele Facetten von Island kennen zu lernen wie möglich und sehen dennoch nur einen Bruchteil dessen, was sehenswert ist.
Inzwischen sind wir wieder bei unserem Boot angekommen und wollen heute Abend nach Reykjavik aufbrechen. Meine Schwester und eine Freundin von ihr werden uns bis dort hin begleiten, um segeln in Island zu erleben. Unser Plan ist es von Reykjavik aus zu den Westmännern zu segeln, zu dem Dorf „Höfn“ im Südosten überzusetzen und von dort aus den Sprung zu den Färöern zu wagen. In wenigen Tagen sind wir also schon wieder auf See und lassen Island hinter uns.

Grönland – Island 2

Auch in den folgenden Stunden kommt kein Eis in Sicht und am Abend fühlen wir uns bereits sicher genug um die Nacht durch zu segeln. Der Wind frischt bis auf 25 Knoten auf und wir kreuzen für eine längere Zeit auf ohne recht voran zu kommen. Das Tief zieht vorbei und lässt uns bei schwachem Wind von vorn zurück. Der Wind dreht langsam auf West, ist mal schwächer und mal bis zu 20 Knoten stark, ansonsten verlaufen die Tage aber ereignislos und unser Highlight besteht aus kleinen Walen mit platten Schnauzen und den Berichten, die wir jeden Tag um 0530, 1130,1730 und 2330 UTC an Greenpos (Grönländisches Berichtssystem zur Sicherheit von Yachten) senden müssen. Unser jetziger Bericht sieht aus wie folgt:

PR (Position report)

Ship name: TAKAMAKA
Date and Time: 09th of August 2015, 2330 UTC
Present position: 62°02’N 34°30’W
Course: 75°
Speed: 5 Knots
Actual weather and ice: No ice, 13 knots wind from W.

Immerhin hatten wir die letzten 24 Stunden gut 20 Knoten Westwind und konnten mit 5-7 Knoten Fahrt gut Strecke machen, sodass es nur noch 365 Seemeilen bis nach Reykjavik in den Hafen sind.
Wir erhoffen uns eine baldige Ankunft, denn ab Mittwoch erreichen uns die Wellen eines zweiten Tiefs aus dem Süden mit zehn Metern Höhe.
Trotz allem jammern und klagen wollen wir festhalten, dass das Segeln schon seit sehr langer Zeit nicht mehr so entspannt war wie jetzt (es ist sogar beinahe angenehm warm).

Grönland – Island 1

Noch knapp zwei Meilen sind es bis zur Wetterstation, da liegt ein mächtiger Eisberg in unserem Weg. Mindestens 30 Meter hoch und wohl auf weit mehr als hundert Metern Tiefe ist er auf Grund gelaufen und schaukelt um ein paar Meter hin und her. Wenn er sich im falschen Moment dreht, bleibt von unserer Takamaka nicht viel übrig und dementsprechend drücke ich den Gashebel noch ein Stückchen weiter nach unten. Fast drei Knoten Fahrt aufs Ziel zu. Das fühlt sich nach mehr als sieben eher an als würden wir auf der Stelle stehen, aber die Strömung ist nun mal gekippt und der Wind mit 20 Knoten gegen an. Der Nebel lichtet sich als wir um den Eisberg herum sind und wir erkennen aus mehr als einer Meile unseren Liegeplatz für die Nacht. Ein mit alten Reifen gefenderter Stahlpier und viel mehr Häuser als wir erwartet hätten liegen vor uns. Das Anlegen ist ein Kinderspiel, die Leinen schützen wir mit Plastikschläuchen gegen das Scheuern an der Mole und nach wenigen Minuten bin ich auf dem Weg zur Wetterstation. 280 Stufen sind es bis oben und der erste Empfang kommt von drei Hunden, die sich um mich herum stellen und mich wie wild anbellen, jedoch nie zu nahe kommen. Von den Menschen werde ich freundlicher empfangen (auch die Hunde stellen sich später als friedlich und zutraulich heraus. Ihre Aufgabe besteht normalerweise darin mit ohrenbetäubendem Gebell vor Eisbären zu warnen) , darf im Internet nach Wetter und Eis schauen (es gibt leider keine neuen Eiskarten seit dem 02.08.) und bekomme einen Kaffee serviert. Als man mir dann auch noch Schichttorte anbietet, erinnert mein schlechtes Gewissen mich daran, dass Clarissa unten wartet und das Boot aufräumt, während ich im warmen sitze. Ich renne also mit einer großen Provianttasche, die ich geschenkt bekommen habe, alle Stufen wieder hinab und zusammen mit Clari, ohne Tasche, wieder hinauf. Jetzt ist Zeit für eine Schichttorte, für das Gästebuch und eine lange Unterhaltung mit drei von den acht Mitarbeitern der TelePost, die hier stationiert sind. Die Gebäude bieten mehr Luxus als alle anderen, die wir zuvor in Grönland gesehen haben und es scheint auch sonst an nichts zu fehlen. Am Morgen sollen wir zum Frühstück kommen und erst danach aufbrechen. Der Nebel wird sich ohnehin nicht früher gelichtet haben, so sagt man uns und wir können das Angebot wohl kaum ablehnen. Pünktlich um sieben Uhr gibt’s Brot, Eier, Käse, Marmelade, Müsli, Joghurt, verschiedenste Säfte und Kaffee von Koch serviert. So üppig haben wir auch schon lange nicht mehr gefrühstückt. Noch rasch das Dinghi wegpacken und das Segel zusammenlegen. Zwei Aufgaben, die übrig geblieben sind, weil das Boot mitsamt allem drum und dran gestern Abend von Eiskristallen überzogen war. Endlich legen wir ab und fahren auf das offene Meer zu. Vom Ufer aus können wir kaum Eis erkennen, als wir aber weiter hinaus fahren werden immer wieder große Felder aus Eis sichtbar, die aus kleinen und mittleren Eisstücken bestehen, sich aber gut durchqueren lassen. Der letzte Eisbericht sah zwar nicht so optimistisch aus, nach vier Stunden (15 Seemeilen) fahrt nach Südost sind wir aber endgültig aus dem Eis draußen und das letzte bisschen Nebel verschwindet. Noch 600 Seemeilen bis zur Einfahrt nach Reykjavik.

Durch den Prins Christian Sund nach Ost-Grönland

Kein Wind lässt sich blicken und uns fehlen noch 25 Seemeilen bis Nanortalik, Diesel haben wir aber nur noch für ca. 14 Seemeilen und so entschließen wir uns irgendwann, das Dinghi mit unserem kleinen 2,5 PS Motor an die Seite zu binden und damit zu ziehen. 3,2 Knoten Spitzengeschwindigkeit ist das Maximum, aber wir müssen ja nur wenige Seemeilen überbrücken und wenn wir einen Kanister leer fahren (der kleine Motor schluckt einen Liter Sprit innerhalb von 40 Minuten), können wir immerhin mehr Diesel für die Überfahrt bunkern. Es geht vorbei an Untiefen, Steinen, kleinen Inseln und Eisbergen, bis wir endlich Nanortalik vor uns liegen haben. Nach 260 Seemeilen kommen wir endlich an und finden rasch einen Liegeplatz – längsseits an zwei weiteren Segelbooten. Ganz schön viel los hier im Süden. Wir duschen, kaufen ein, erkundigen uns nach Internet, Diesel, Wasser und der Post. Postkarten verschicken, Souvenirs kaufen und Informationen über Eis im Osten einholen. Die Eismassen versperren noch immer die Ausfahrt aus dem Prins Christian Sund und es ergibt sich nur alle paar Tage eine Chance hindurch zu fahren, wir hoffen einfach auf unser Glück, das wir ja bisher mit dem Eis immer hatten. Mama und Familie sind bereits auf dem Weg nach Island wie wir erfahren – da fehlen nur noch wir. Während ich all die Informationen sammle ist Clarissa noch auf dem Boot, als ein mächtiger Growler sich unter dieses schiebt. Als sie zu mir kommt ist sie etwas durcheinander und erzählt mir von ihm und der Windsteueranlage, die er verbogen haben könnte. Ich muss sofort nachsehen, lasse sie mit dem Laptop zurück und begutachte den Schaden. Der Growler muss mehr als die Takamaka wiegen und treibt sich noch immer zwischen den drei Booten herum, die Windsteueranlage hat aber zum Glück eine Sicherheitsvorrichtung, so dass sich das Ruderblatt nach hinten hinaus bewegen kann, wenn zu viel Druck darauf kommt. Ich muss also nur eine Schraube lösen, es wieder gerade stellen und alles ist wieder gut, alle sind wieder glücklich.
Gegen Mittag fahren wir mit dem Ziel Frederigsdal los. Ein bisschen Wind aus dem Osten, ein Kreuzfahrtschiff und das war auch schon alles bis wir ankommen. Die Bucht im Norden ist geschützt vor Wind, es treiben sich einige Growler darin herum und ich beschließe auf knapp fünf Metern zu ankern. Ein Fehler, wie sich nachts um drei Uhr herausstellt, denn unser Kiel setzt sanft im Sand auf. Bis ich es gemerkt habe, liegen wir allerdings auch schon ein paar Zentimeter über der üblichen Wasserlinie und es kostet uns fast eine Stunde um das Schiff wieder frei zu bekommen. Morgens um acht noch ein kurzer Blick auf die ersten Wikinger-Häuser Grönlands, dann geht es schon wieder weiter – Ziel: Aappilattoq, rund 20 Meilen im Sund.
Die Strömung unterstützt uns tatkräftig und wir sind bald dort. Gerade laufen zwei Yachten, die bereits in Nanortalik neben uns lagen, aus und berichten, dass das Wasser am Steg vermutlich zu niedrig sei. Wir ankern wenige Meter davon entfernt, so müssen wir schon keine Leinen nachführen. Wasser und Diesel werden ein letztes Mal bis zum Rand aufgefüllt, am nächsten Morgen noch Brot einkaufen und (kostenlos!) duschen, dann geht es schon wieder weiter. Die Strömung trägt uns durch den Sund, vorbei an 1500 Meter hohen Bergen, vorbei an Gletschern und Eisbergen, vorbei an Wasserfällen und Robben. Bis zu 7 Knoten machen wir über Grund, als wir eine Engstelle passieren. Überall neben uns drehen sich Eisberge von mehreren Metern Durchmesser im Kreis und schwimmen in alle Richtungen als würden sie tanzen. Steine in einer Tiefe von rund einhundert Metern sorgen für Verwirbelungen und Strudel an der Oberfläche, die dieses Phänomen erzeugen, das mich immer wieder dazu bewegt die Fahrt zu erhöhen oder zu verringern, um den gewaltigen Brocken auszuweichen.
Inzwischen sind wir nur noch 7 Seemeilen von der Wetterstation am Ostende des Sundes entfernt, von der aus wir durch den Gürtel aus Packeis starten wollen. Ein letzter Stopp bevor wir uns auf den Weg nach Island machen.
To Dos:
Neues Großsegel einziehen – erledigt
Wasser bunkern – erledigt
Diesel auffüllen – erledigt
Boot aufräumen – erledigt
Putzen – erledigt
Vorsegel zusammen5legen – heute Abend
Dinghi wegpacken – heute Abend
Ölstand kontrollieren – heute Abend
Los fahren – morgen früh

Ab in den Süden

Wir bleiben noch einen zweiten Tag im Evighedsfjord ehe wir uns auf den Weg nach Nuuk machen. Erst über 20 Knoten Wind gegen an, dann von achtern und wenige Stunden später die gewohnte Flaute für die restlichen 90 Seemeilen. Wir kommen bei Nacht in Nuuk an. Am nächsten Tag stehen Wäsche waschen, Einkaufen und Internet an, abends gibt’s zur Belohnung die gesammelten Miesmuscheln und am nächsten Tag noch einmal Internet bis die Wäsche fertig ist. Als wir ablegen ist es bereits 16 Uhr und die Fischfabrik, bei der wir Wasser bunkern wollen, hat bereits geschlossen. Diesel tanken und Wasser suchen. Wir werden am Ende einer flachen Marina für Motorboote fündig, in die wir bei Hochwasser einlaufen. Der Tank ist innerhalb von wenigen Minuten voll und wir können endlich weiter nach Süden segeln. Der Wind weht von achtern, von der Seite und dann von vorn. Nachts wird es inzwischen wieder erschreckend dunkel, außerdem umgibt uns die meiste Zeit dichter Nebel. Als wir in Lichtenfels, einer Bucht rund 80 Seemeilen von Nuuk entfernt, ankommen, weht zwar kaum Wind, wir müssen aber feststellen, dass die Bucht nach Westen hin komplett ungeschützt ist und die Karten in keiner Weise stimmen. Über die Mündung der langgezogenen Bucht kommt man nämlich nicht hinaus, außerdem stimmt weder die Ausrichtung der Karte noch irgend etwas sonst in der Nähe. Solang der Wind unter zehn Knoten bleibt können wir dennoch hier bleiben – das kommt uns ganz gelegen, denn der Wind bläst eisig über die Hügel und der Nebel schlägt sich überall nieder. Ein Friedhof mit grönländischen Steingräbern erwartet uns an Land, bei den Temperaturen kann ich dieser Anhäufung von Gräbern (es müssen wohl um die hundert Gräber sein) nur wenig abgewinnen und während Clarissa sich voller Begeisterung umsieht, will ich nur rasch zum Boot zurück. Tatsächlich ist der Friedhof ein interessanter Ort. Die sonst vereinzelt auf den Berghängen stehenden Gräber aus angehäuften Steinen stehen hier dicht beieinander, wobei einige von ihnen sogar mit alten Holzkreuzen „geschmückt“ sind. Das erklärende Schild des Bischofs können wir jedoch leider nicht lesen (in Grönland ist das meiste nur in Dänisch und Grönländisch beschriftet).
Am Morgen des kommenden Tages wehen rund zehn Knoten als ich den Anker aufhole und damit das Boot vor dem nur wenige Meter fernen Ufer schütze. Kaum verlassen wir den Fjord, wehen schon rund zwanzig Knoten von achtern. Wir freuen uns über fünf, nein sechs, bald sieben Knoten Fahrt aufs Ziel zu und malen uns bereits aus, dass wir mit etwas Glück bereits in zwei Tagen in Nanortalik, im Süden Grönlands, sein könnten. 260 Seemeilen müssen wir zurück legen und schon nach 60 lässt der Wind wieder nach. Das übliche Motoren und aufkreuzen folgt, während die Strömung uns hart zusetzt und der Wind das Motoren ausschließt. Eisberge sind überall um uns herum, Nebel verschlechtert die Sicht und in der Nacht müssen wir den Treibanker ausbringen um nicht Gefahr zu laufen auf einen der Berge zu fahren. Inzwischen sind wir nur noch weniger als 50 Seemeilen von Nanortalik entfernt, der Diesel ist zwar beinahe leer, dafür weht aber wieder Wind von achtern und der Nebel hat sich verzogen. Mit etwas Glück laufen wir morgen früh in Nanortalik ein, wo wir die letzten Einkäufe erledigen wollen, bevor wir uns auf den Weg durch den Prince Christian Sund machen, der durch die Südspitze von Grönland führt und damit unsere Strecke für die Überfahrt nach Island beinahe halbieren soll.

Faeringe Nordhavn – Tasiussaq

Der Ankerplatz ist gut geschützt aber beinahe unspektakulär. Kein Fisch will beißen (eine Seltenheit in Grönland), an Land sind einige Fallen, ansonsten gibt es nichts zu sehen auf der kleinen Insel hinter der wir liegen. Am nächsten Morgen geht es direkt weiter, hinein in den Nebel, der uns bis Sisimiut begleitet. So schlechtes Wetter hatten wir schon lange nicht mehr. Seit zwei Tagen ist der Himmel bedeckt, heute ist es sogar nebelig und kalt ist es auch geworden. Immerhin können wir inzwischen wieder segeln, was uns ganz gelegen kommt, denn gerade haben wir entdeckt, dass die Diesel-Ablaufleitung von den Einspritzpumpen heruntergerutscht ist und der Diesel munter in die Bilge plätschert. Das Ganze bedeutet nicht nur den Verlust von einigen Litern Diesel, sondern auch Dieseldampf im Schiff. Wenig angenehm und dringend zu beheben. Winfried stellt fest, dass die Leitung schon immer zu kurz gewesen und die Schelle, die sie auf dem Rohr befestigen sollte, nie auf diesem saß. Mit vulkanisierendem Klebeband sollte unser Motor zumindest im Notfall über einige Stunden einsatzfähig bleiben, beschließe ich und wickle den Schlauch mitsamt Schelle und Rohr kräftig ein. Solange wir wie jetzt mit sieben Knoten Fahrt unter Segeln dahin schießen, wollen wir diese Konstruktion allerdings nicht auf die Probe stellen, also schließen wir den Motorraum wieder und freuen uns auf Sisimiut, das langsam hinter dem sich lichtenden Nebel zum Vorschein kommt. Kurz vor dem Hafen holen wir dann das Großsegel herunter und starten den Motor. Als das Segel gerade fertig festgebunden ist, merke ich, dass der Motor nicht hoch dreht, egal wie ich den Gashebel bewege. Außerdem kommt zum Auspuff schwarzer Qualm heraus. Sofort stoppe ich den Motor, während Winfried rund fünfzig Meter vor der Hafeneinfahrt das Vorsegel setzt. Der Wind ist durch die Landabdeckung deutlich schwächer geworden und mit dem letzten bisschen Fahrt gehen wir bei einer Alu-Yacht längsseits. Als die Leinen fest sind öffne ich als erstes den Motorraum und sehe gleich den Kompressionshebel, der einen unserer zwei Kolben dekomprimiert. Er liegt auf der falschen Seite, was bedeutet, wir sind nur auf einem Kolben gelaufen während der Diesel im anderen nur unverbrannt ausgespuckt wurde. Kein Wunder also, dass der Motor nicht auf Drehzahl gekommen ist. Ich muss den Hebel beim Abkleben des Schlauches vergessen haben zurückzulegen und habe mir dadurch ein Segelmanöver im Hafen eingebrockt – selber schuld. Ich starte den Motor wieder und – wer hätte es gedacht – die Drehzahl lässt sich ohne weiteres erhöhen, der schwarze Qualm ist fort und alle Ängste sind verflogen. Wir sind inzwischen in Sisimiut angekommen und Winfried bereitet sich auf seine Heimreise vor. Der Rucksack wird gepackt, ein Eintrag ins Gästebuch geschrieben und im Hotel wird geduscht. Clarissa und ich wollen Wäsche waschen, was wir bei 60 Euro für einen Sack Wäsche dann aber doch verschieben. In den anderen Dörfern zahlen wir dafür maximal ein Drittel. Außerdem finden Clari und ich ein Gerät zum SD Karten auslesen. Seit Tagen können wir nicht fotografieren, weil ich all unsere Bilder seit Eqip Sermia, dem Gletscher, unserer Inlandeis-Wanderung und unserer Eisbrecher-Fahrt von der SD-Karte gelöscht habe. Zusammen mit dem Gerät können wir die Bilder zum Glück wieder herstellen. Winfried kommt mit einigen Schläuchen vom Müll zum Boot und tatsächlich passt einer davon perfekt als neuer Schlauch für die Dieselleitung. Jetzt kann Winfried guten Gewissens in seinen Flieger steigen, schließlich hat er (mit uns) das halbe Boot repariert. Die andere Hälfte wartet dann wohl auf mich bis wir in Deutschland sind. Wir legen noch einen Tag Pause in Sisimiut ein, organisieren eine Gasflasche mitsamt Adapter zum Umfüllen in unsere (was zugegebener Maßen nur mehr oder weniger gut klappt) und fahren dann weiter gen Süden, zurück nach Tasiussaq, dem Ankerplatz im Evighedsfjord, an dem wir schon bei unserer Hochreise gelegen haben. Kurz nachdem wir Sisimiut verlassen haben fängt der Wind an zu blasen. Natürlich aus Süden, der Richtung in die wir gerade wollen. Bald sind es mehr als 20 Knoten und wir wechseln das Vorsegel. Unter Deck und auch auf dem Vorschiff purzelt alles, was die letzten Wochen nie daran gedacht hat seinen Platz zu verändern. Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass wir Wind von dieser Stärke haben und das Ganze natürlich gegen an. Wir brauchen mehr als 24 Stunden bis wir endlich an unserem Ankerplatz angekommen sind und gefühlt eine weitere Stunde bis wir schließlich einen Platz gefunden haben, an dem unser Anker zumindest ein bisschen hält. Nach diesem ungewohnt windigen Erlebnis legen wir erst einmal eine Pause ein und machen uns bei Ebbe auf die Suche nach Miesmuscheln, die hier überall am Strand liegen. Morgen geht es nach Nuuk weiter, von wo aus wir dann auch endlich die letzten Bilder hoch laden wollen (nachdem wir sie nun wieder hergestellt haben).